Animated Architecture: Movement and Mobility in the Experience of Modern Architecture and Design
Kontaktraum (CD 06 03), Gußhausstraße 25–29
17. Juni
Boecklsaal (AA 01 62), Karlsplatz 13
Animated Architecture
Movement and Mobility in the Experience of Modern Architecture and Design
16. und 17. Juni
Bewegung und Mobilität erscheinen als geradezu kategoriale Gegenbegriffe zur statischen und meist auf stationäre Beständigkeit ausgelegten Verfasstheit von Architektur – doch nur auf den ersten Blick: Denn zum einen können Bauten durch ihre formale Gestaltung dynamisch und wie in Bewegung wirken. Noch signifikanter scheint jedoch, dass der Wahrnehmung von Architektur sowohl auf Seiten der Bauten selbst als auch vonseiten der Rezipient:innen auch realiter oftmals Mobilitätsaspekte eingepreist sind. Seit gut 5.000 Jahren werden in Europa beispielsweise Türen, Tore und andere Gebäudeteile wie Fenster, Rampen, Stege und Brücken bewegt, während die vermeintlich passive, gebaute Architektur zu Fuß, auf dem Pferd und aus Kutschen seit jeher auch in Bewegung erfahren und dadurch wiederum subjektiv in Bewegung versetzt und animiert wird. Eine regungslose, statische Architekturwahrnehmung bildet also vielmehr eine Ausnahme als den Regelfall. Dabei hat die technologische Transformation der modernen Lebenswirklichkeit unter zunächst thermodynamischen Vorzeichen, etwa durch Dampfmaschinen und Verbrennungsmotoren bis hin zum aktuellen Aufschwung der Elektromobilität, völlig neuartige Modi dynamischer Architekturwahrnehmung gezeitigt, die wir im Rahmen einer interdisziplinären Tagung untersuchen möchten. Der doppelte Fokus liegt dabei sowohl auf beweglichen Architekturen als auch auf bewegter Architekturbetrachtung sowie deren vielgestaltigen Mischformen, die als ein zusammenhängendes Spannungsfeld der modernen Architekturwahrnehmung gemeinsam in den Blick genommen werden. Der Architekturbegriff wird hierfür dezidiert weitgefasst und schließt insbesondere Bereiche des Designs mit ein, so werden beispielsweise bewegliche Möbel oder Fortbewegungsmittel und deren Innenausstattungen als mobile Architektur miteinbezogen.
Mit den neuen Geschwindigkeitserfahrungen in Eisenbahn, Tramway, Automobil und Flugzeug haben sich seit dem 19. Jahrhundert auch neue Wahrnehmungshorizonte von Architektur eröffnet, die unter anderem an urbane, periphere und ländliche Raumgefüge gekoppelt waren. Entscheidend ist dabei zudem eine betonte körperliche Passivität des betrachtenden Subjekts, das, bald nicht mehr als aktiver Flaneur, in Stadtbahnen, in Aufzügen und auf Rolltreppen mühelos und ohne Kraftanstrengung dennoch aus einer mobilen Perspektive betrachten konnte. Komplementär hierzu bewegen sich Türen, Tore oder Schranken heute – oftmals ausgelöst durch Bewegungsmelder oder digitale Steuerung – wie von Zauberhand und entfalten so eine eigene architektonische Agentialität. Der Handlungsimpetus liegt hier nicht mehr vordergründig bei den Betrachter:innen, die durch Zeichensysteme, Wegeführung und Geschwindigkeitsregulierungen in ihrer Architekturbetrachtung angeleitet und bisweilen gesteuert werden. So machen sich Architekturen oftmals durch Gleisführungen, Straßenverläufe und Start- und Landebahnen vorgegebene Blickachsen zunutze und kalkulieren hierfür neben Betrachter:innenstandpunkten auch die jeweiligen Reisegeschwindigkeiten mit ein.
Spezifisch modern sind diese Architekturwahrnehmungen nicht lediglich, weil durch den Zug und das Auto beschleunigte Fortbewegung zunehmend demokratisiert worden ist, sondern auch, weil die wechselseitige Abhängigkeit von Geschwindigkeit, Raum und Zeit spätestens seit der Relativitätstheorie ein genuin modernes Denkmodell bildet. Richtet man die Aufmerksamkeit diesem Denkmodell folgend auf die Frage nach dem Ort des eigentlichen Bewegungsimpetus, lassen sich verschiedene Wahrnehmungsvarianten phänomenologisch unterscheiden. Beschreibbar ist zum einen eine weitestgehend statische Betrachtung von Architektur(teilen) in Bewegung, der ihrerseits Wahrnehmungsvorgänge gegenüberstehen, bei denen sich Rezipient:innen selbst in Bewegung befinden und die hierbei statischen Bauten betrachtet werden. Für die Moderne besonders charakteristisch scheinen indes integrative Mischformen dieser beiden Konstellationen, bei denen die Betrachtung aus einer selbst mobilen Architektur heraus erfolgt – etwa aus einem fahrenden Zug, einem Auto oder von einer Rolltreppe aus. Schließlich würden sich dann Betrachtungen von statischer oder sich selbst in Bewegung befindender Architektur fallunterscheiden lassen, beispielsweise im Fall eines fahrenden Zugs, der aus einem fahrenden Auto beobachtet wird.
Organisiert von Atreju Allahverdy und Thomas Moser.